Heini Meinhardt – flotte Tänzchen zum 80. Geburtstag
80 Gäste wären sicherlich auch ein paar zu viel gewesen, aber Ex-Champion Heini Meinhardt hat schließlich doch noch mehr als 60 zu seiner Geburtstagsfeier am Sonntag (17. April) eingeladen. Bei Hamester in dem kleinen Ort Basthorst in der Nähe von Trittau feiert der ehemalige Mittelgewichtsstar seinen 80. Geburtstag. Und Heini lässt es richtig krachen. Sogar eine Band hat er engagiert, die Bigolos aus Trittau spielen auf. Schon aufgeregt, Heini? „Wenn ich ehrlich bin, ein bisschen schon“!
Klar ist, ein Thema wird im Mittelpunkt stehen, wie häufiger, wenn Heini enge Freunde um sich versammelt hat. Richtig, es ist die Sache mit Peter Müller! Das muss er jetzt in Basthorst, hier ganz in der Nähe wohnt übrigens Sängerin Vicky Leandros, mit Sicherheit auch wieder zum Besten geben.
Damals, das war am 10. April 1964, als Heinrich Meinhardt, den alle immer nur Heini nennen, in der Hamburger Ernst-Merck-Halle seinen Deutschen Meistertitel im Mittelgewicht gegen Peter Müller, den „Aap“ aus Köln, verteidigte. In der 5. Runde war Schluss – Heini vom Ringrichter ausgezählt und seinen Titel los…
„Was da im Kampf vor fast auf den Tag genau 52 Jahren wirklich passiert ist, das habe ich doch früher nie so richtig erzählt,“ sagt der Super-Techniker, „die Leute hätten dann doch nur gesagt, dass ich eine Ausrede gesucht habe.“
Wie war es denn aber in Wirklichkeit, Heini? „Ja, also, das war so: Gleich in der ersten Runde hat der Peter Müller mich mit einem Cross aufs linke Ohr getroffen, ich musste runter, war bei sechs oder sieben aber wieder oben. Genau weiß ich das allerdings nicht, denn von dem Zeitpunkt an habe ich nichts mehr mitbekommen. Ich weiß auch nicht, wie ich in die Ecke kam, weiß nicht, wie und wann genau der Kampf zu Ende war. Erst in der Kabine, als ich mir die Boxstiefel ausziehen wollte, hat es plötzlich klick gemacht und ich war wieder klar. Welche Runde war denn Schluss, Franz, habe ich meinen Trainer Franz Mück gefragt, der – wie alle Fans in der Halle – auch nichts von meinem Blackout mitbekommen hatte.“
Am folgenden Montag geht Heini zum Arzt – wegen der Schmerzen im Fuß. „Damit muss wohl was passiert sein, als ich zu Boden gegangen bin. Aber nur halb so schlimm. Bei der Gelegenheit habe ich den Doc gefragt, ob er sich mal mein linkes Ohr ansehen würde, da stimmt nämlich was nicht. Machte Doktor Schmidt auch. Sein Befund: Trommelfell geplatzt! Tja, da war denn ja auch klar, warum ich von dem ganzen Kampf nichts mehr mitbekommen habe. Dabei würde ich mir das Spektakel heute noch gerne mal anschauen, aber Filmaufnahmen von dem Titelkampf konnte ich einfach nirgendwo auftreiben.“
Dafür kann Heini, der als Zehnjähriger mit der Boxerei im Verein seines Vaters, der war Schwergewichtler, beim BC Eiche in Hamburg begann, sich an andere Sachen gut erinnern. An seine ersten Trainingstage, zum Beispiel. 1946 war’s, die Hamburger Straßen lagen alle noch voll mit Trümmern vom Krieg, das Ergebnis der Bombenabwürfe der Alliierten auf die Hansestadt, als er mit Vater Heinrich zu jedem Training musste. „Der war ein harter Hund, hat immer Druck gemacht, ich durfte niemals fehlen. Heute weiß ich, dass das gut und richtig für mich war. Im Geschäft meines Vaters habe ich dann auch drei Jahre als Kohlenarbeiter malocht, eine Lehre als Schlachter habe ich nach einem Monat geschmissen, obwohl der Alte meinte, das wäre genau das richtige für mich. War es aber nicht, denn im Blut rumrühren und solche Sachen, das war nix für mich.“
Heini geht in den Hafen, wird Gabelstaplerfahrer, Kranführer, Bahnschreiber. Zwölfeinhalb Jahre macht er das – und boxt jetzt für die SV Polizei Hamburg, bestreitet insgesamt 130 Kämpfe. Mit Erfolg. 1957 holt er sich in Kiel den Deutschen Meistertitel im Halbmittelgewicht. Und in der Hauptstadt Schleswig-Holsteins macht er auch seinen ersten Profikampf. In der Ostseehalle besiegt er Paul Potisek am 11. März 1961 über 4 Runden nach Punkten und kassiert dafür 150 Mark Börse.
Heini ist fleißig, im Boxring und später auch bei der Hamburger Polizei. Da zieht der damals 33-Jährige zwar keine Uniform an, um den Straßenverkehr zu regeln, nein, Heini geht lieber in die Verwaltung. „Ein sicherer Posten. Ich bin auch Beamter geworden, mit Pensionsansprüchen. 1964 zieht es den „Hamburger Jung“, der in der Nähe des Rathauses wohnte, mit seiner Frau Regina, die er 1956 geheiratet hat, aufs Land, nach Trittau in Schleswig-Holstein. Dort baut er sich mit Hilfe von Kollegen ein Haus, investiert jeden Pfennig, den er im Ring verdient. Heini ackert meistens am Wochenende an seinem Heim. „Erst den Fußboden verlegen, dann ab zum Boxtraining, dann Wände hochziehen – und ab zum Training, dann Decken einziehen – und wieder ab zum Training.“
Es läuft alles gut für den Jung-Ehemann. Er holt sich den Deutschen Meistertitel im Mittelgewicht gegen Manfred Haas (1963), verteidigt ihn im selben Jahr gegen Klaus Stockmann, den er in dessen Heimatstadt Kiel in der 9. Runde besiegt. „Damit konnte ich endlich eine alte Rechnung begleichen. Klaus hatte mich in meinem letzten Amateurkampf mit einem Körpertreffer ausgeknockt, das heißt, der Ringrichter hat mich einfach ausgezählt, obwohl ich mich wieder fit zum Kampf gestellt hatte. Der Sieg als Profi war schon eine Genugtuung für mich. Na ja, und fünf Monate später kam dann ja das Ding mit Peter Müller…“
Gegen wen hätte Techniker Meinhardt damals am liebsten geboxt? Heini zögert nicht mit der Antwort: „Gegen Bubi Scholz, aber leider kam der Kampf nie zustande. Von Box-Kollegen hörte ich, dass Bubi ihnen gesagt hat: Der Meinhardt ist zu schnell, den Kampf brauche ich nicht“. Wäre er doch gekommen, der Heini aus Hamburg wäre mit einem ganz komischen Gefühl gegen den Bubi aus Berlin in den Ring geklettert. „Denn der Scholz war ja ein eiskalter Boxer mit einem eiskalten Blick . Wenn der dich länger angeschaut hat, hast du das Zittern gekriegt.“
Gezittert hat Heini zwar nicht, als er am 2. September 1966 in Köln gegen Lothar Stengel um den Titel im Halbschwergewicht kämpfte, aber Heini war einfach nicht fit. „Ich hatte eine Grippe, fühlte mich schlapp, hatte keine Kraft, konnte den Angriffen von Stengel nicht ausweichen, wollte deshalb auch schon früh aufhören, aufgeben. Aber mein Trainer hatte mir vor dem Kampf Tabletten gegeben („das wird schon“) und scheuchte mich immer wieder in die nächste Runde mit Sprüchen wie: Mensch, Heini, mach keinen Quatsch, wir kriegen hier sonst kein Geld! Zweimal war ich kurz unten, um mich zu erholen, aber da ging nichts mehr.“ In der Pause zur 8. Runde hat Heini aufgegeben – und seine Karriere für beendet erklärt. „Wenn ich den Titel gewonnen hätte, dann hätte ich sicher noch zwei, drei Kämpfe gemacht, um Geld zu verdienen. Da bin ich ganz ehrlich…“
Ganz ehrlich ist Heini auch, wenn er von der heutigen Boxszene spricht. Er geht lieber zu den Amateuren als zu den Profis. Zufrieden ist er mit dem, was er da erlebt, aber nicht unbedingt. „Gute Techniker sind heute Mangelware. Rein, schlagen und wieder raus, kein Sidestep, kaum Körpertreffer. Da vermisse ich doch so einiges. Bei den Profis allerdings auch. Deshalb freue ich mich über Boxer wie Felix Sturm oder Wladimir Klitschko, die beiden kommen meinem Ideal vom Boxen noch am nahesten.“
Was macht Heini heute? Zum Frühstück haut er sich gern Eier und Speck in die Pfanne, trinkt einen Pott Kaffee. Danach geht er spazieren im nahe gelegenen Wald oder fährt mit dem Fahrrad. „Immer so 10 Kilometer“. Leider muss er das jetzt allein machen, denn seine geliebte Frau Regina, mit der er am 10. November 2006 das Fest der Goldenen Hochzeit feierte, ist im August 2009 nach langer, schwerer Krankheit verstorben.
Jede zweite Woche fährt Heini übrigens noch nach Hamburg zum Training, aber nicht um junge Boxer zu trainieren wie Ausnahmetalent Thorsten Spürgin damals in den 80iger Jahren, nein, Heini bearbeitet selbst Sandsack und Maisbirne, springt Seil, freut sich, unter jungen Menschen zu sein.
Und Heini baut gerne. Auf seinem Grundstück hat er ein kleines Häuschen umgebaut, wohnlich gemacht und ist dort eingezogen. Ins große Haus zog Tochter Daniela, die vorher in Berlin lebte. Worüber Heini sich ganz besonders freut: Daniela kam ja nicht allein, sie brachte Sohn Kilian mit. Der ist jetzt neun Jahre alt. „Ein Prachtbursche“, freut der Opa sich, der sonst immer nur mit Mädchen, seinen vier Enkelinnen und jetzt noch eine Urenkelin (Charlotte, eineinhalb Jahre), spielen konnte. Wird Kilian auch mal Boxer? Opa Heini: „Nee, das glaube ich nicht, ich werde ihn auch nicht dazu drängen, er spielt lieber Hand- und Fußball. Und das richtig gut“.
Ja, und was macht Heini sonst noch besonders gern? Die Damenwelt wird es am Sonntag hautnah zu spüren bekommen, denn Heini ist ein toller Tänzer. Und die Bigolos wissen sicher auch schon, nach welchen Songs Heini am liebsten sein Tanzbein schwingt.
Text: Wolfgang Weggen