Karlsruhe: Erfolg trotz Niederlage und zwei Unentschieden (+Video)
Etwa eine halbe Millionen Fernseh-Zuschauer in der Ukraine hatte am vergangenen Freitag eine Boxveranstaltung in Karlsruhe. Die selbe Veranstaltung hatte hierzulande erheblich weniger Zuschauer – trotz kostenloser Livestreams auf Baden TV und unseren Boxwelt-Kanälen bei Facebook, Youtube und VK. Und das ist sehr schade, denn es war eine sehr gute Veranstaltung mit überaus sehenswerten Kämpfen!
Dabei waren es nicht die fünf(!) Titelkämpfe, die die hohe sportliche Qualität ausgemacht haben, sondern es war das gute und ausgewogene Matchmaking. Acht Kampfpaarungen und alle auf Augenhöhe. Vermutlich würde es auch nicht so schlecht um das deutsche Boxen stehen, wenn die im Fernsehen übertragenen Veranstaltungen der letzen Jahre diese Qualität gehabt hätten…
Der Hauptkampf von Mirco Martin gegen Ernesto Irias hätte das Zeug zum Kampf des Jahres in Deutschland und auch darüber hinaus zu werden: beide Kämpfer machten von Anfang an klar, dass sie den vakanten WBC Silber Gürtel im Fliegengewicht mit nach Hause nehmen wollten. In einem wahnsinnigen Tempo und fast ohne Verschnaufpausen lieferten sie feinstes Boxen und für die Gewichtsklasse enorm viele harte Treffer. Selbst ein erfahrener Punktrichter ging nach wenigen Runden davon aus, dass dieser Kampf vorzeitig enden müsste. Aber es kam anders. Keiner der beiden Boxer brach ein und bei Martin hatte man sogar – trotz Nasenbluten – immer wieder den Eindruck, dass er sogar richtig Spaß an dieser Ringschlacht hatte. Der Kampf ging über die Runden und endete in einem salomonischen Unentschieden – was verständlicherweise nicht nur für die beiden Boxer eine Enttäuschung nach einer herausragenden Leistung war. Jedenfalls sollte hier aber unbedingt in einem Rematch ein Sieger gefunden werden!
Kurz zuvor hatten sich Vladyslav Sirenko und Ivan Di Berardino im Schwergewicht eine ähnlich intensive aber sehr viel kürzere Schlacht im Schwergewicht geliefert – dieser Kampf endete nach einem harten Niederschlag durch Sirenko, weil sich Berardino einen tiefen Cut direkt über dem linken Auge zugezogen hatte schon in Runde 1. Berardino hatte seine etwa sieben Jahre alte Tochter mitgebracht und diese musste den harten Niederschlag und den tiefen Cut einschließlich längerer medizinischer Betreuung im Ring hilflos weinend in der Ringecke erleben – es ist verantwortungslos und unnötig Kinder in dem Alter mitzunehmen, wenn Vater oder Mutter in den Ring steigen.
Evgeny Shvedenko hatte bei der ersten Verteidigung seines EBP Titel im Supermittelgewicht durchaus seine Schwierigkeiten mit dem erfahrenen Nuhu Lawal und auch dieser Kampf war durchaus sehenswert. Am Ende konnte sich Shvedenko verdient – wenn auch etwas zu deutlich – auf den Punktzetteln durchsetzen.
Nicht so gut lief es zuvor für Dennis Dauti. Dieser kam von Anfang an nicht mit dem Stil von Abdessamad Nechchad klar und fand irgendwie auch über die Distanz von zehn Runden nicht so richtig in den Kampf. Nechchad machte hingegen einen derart guten Job, dass ihm einstimmig und auch völlig zu Recht am Ende des Kampfes der WBC Mediterran Titel im Superleichtgewicht zugesprochen wurde.
Petro Ivanov bekam es bei der ersten Titelverteidigung seines WBC Junioren-Weltmeister-Titel mit dem beherzt boxenden Vladimir Belujsky zu tun. Zunächst war auch hier nicht klar, wer den Kampf machen würde. Beide boxten gut und machten ihre Ambitionen auf den Titel deutlich. Nach vier Runden zeigten beide Boxer leichte Ermüdungserscheinungen. Ivanov schaffte es dann aber irgendwie einige Reserven zu aktivieren und deckte Belujsky derart mit Treffern ein, dass er vom Ringrichter gegen Mitte der fünften Runde aus dem Kampf genommen wurde.
Auch die drei Vorkämpfe von Oleksandr Zakhozhyi gegen Kevin Johnson, Vasiko Lukashvili gegen Dionis Martinez (hier hätte man statt einem Unentschieden den Kampf auch Martinez geben können) sowie Leo Levani gegen Deutschlands besten und erfahrensten Journeyman Mazen Girke waren gut und sehenswert.
Übrigens konnten nicht nur die Kämpfe dieser Veranstaltung überzeugen: ein stilvoller Veranstaltungsort, leckeres Essen und gute Organisation machten diesen Kampfabend rund – und Baden TV sorgte mit einer guten TV-Produktion dafür, dass sich davon auch die Fernseher- und Livestream-Zuschauer überzeugen konnten.
Fazit: Wenn man gute Kämpfe auf Augenhöhe macht, gibt es eben auch mal Unentschieden oder gar eine Niederlage – aber das ist gut für den Boxsport! Man sollte also beobachten, was Christian Titze und Wolfgang Fahrer mit Ihrer Fächer Sportmanagement GmbH dort in Karlsruhe auf die Beine stellen! Und wenn das ZDF ernsthaft wieder ins Boxen einsteigen will, täte es gut daran sich nicht wieder nur an einen Promoter zu binden, sondern sich offen für gute Kämpfe und Veranstaltungen wie diese hier zu zeigen.