Tiafack erlöst den NSV: Mannschaftssieg und Einzug ins DM-Finale

Es kommt nicht allzu häufig vor, dass gleich drei Thüringer für die Bundesliga-Boxstaffel des Nordhäuser aufgeboten werden. Dieses Besondere erlebten nun am Samstagabend mehr als 1.100 Zuschauer in der Ballspielhalle. Cheftrainer Andreas Dietrich-Scherfling berief Richard Meinecke (Nordhausen), Ramazan Gabibullaev (Weimar) und Sebastian Günther (Erfurt) in das achtköpfige Aufgebot für den Heimkampf gegen den BC Chemnitz. Sie lösten ihre Aufgaben recht unterschiedlich – mit einem Sieg und zwei Niederlagen. Doch in der Summe alle acht Duelle gewann der NSV knapp mit 13:11 und löste vorzeitig das Finalticket.

Es war ein spannender Kampfabend, den Drehbuchautoren hätten nicht besser schreiben können. Erst im achten und letzten Kampf sollte die Entscheidung fallen. Doch der Reihe nach. In der obligatorischen Mannschaftsbesprechung vor dem Spitzenduell verdeutlichte Dietrich-Scherfling nochmals die Ausgangsposition. „Mit einem Mannschaftssieg sind die Playoffs perfekt, mit einem Unentschieden müssen wir noch zittern und bei einer Niederlage zittern wir noch mehr.“ Der Cheftrainer appellierte an seine Jungs, ihre Gegner nicht zu unterschätzen. „Heute werden 100 Prozent nicht reichen. Wir müssen gegen Chemnitz drei, vier Schippen drauflegen. Besinnt euch auf eure Stärken“, gab er ihnen mit auf dem Weg.

Zum Auftakt sollte die Marschroute aufgehen. Mit Hamza Touba im Bantamgewicht haben die Nordhäuser ein Punktgarant im Ring, er wurde seiner Favoritenrolle gegen Alik Aloyan mehr als gerecht. Der Mannschaftskapitän überzeugte mit einer souveränen Vorstellung. Nun kam die erste Überraschung: Nicht Enrico Lacruz, sondern Younes Zaraa wurde für das Leichtgewicht aufgeboten. Der Youngster unterlag, weil der Gegner druckvoller agierte. Zaraa fehlten etwas die Körner, um das Duell für sich zu entscheiden.

Im Halbweltergewicht gelang Dietrich-Scherfling ein genialer Schachzug. Er brachte Lacruz, eine andere Alternative gab es nicht. „Mohammed Barut ist langfristig verletzt und Wladislaw Baryshnik für die U22-Europameisterschaften abgestellt“, erklärte er die Umstellung. Trotz der höheren Gewichtsklasse überzeugte der mehrfache niederländische Meister gegen den Chemnitzer Fidaim Brahimi und brachte den NSV mit 10:9 in Führung.

Seinen dritten Einsatz im NSV-Dress beendete Richard Meinecke erfolgreich, er baute die Führung vor der Pause zum 11:9 aus. „Ich freue mich über jeden Kampf, den ich hier machen kann. Es ist richtig geil vor heimischem Publikum zu boxen“, freute sich der Nachwuchsathlet über die stimmungsvolle Kulisse. Wenngleich er anfangs der ersten Runde einige Probleme hatte. Gepusht vom „Heimpublikum“ kämpfte er sich durch die zweite und dritte Runde, die zugunsten des NSV-Kämpfers ausfielen.

Trotz des Sieges war er mit seiner Leistung nicht ganz zufrieden. Ihm fehlte die nötige Spritzigkeit und Frische. Zu Wochenbeginn plagten ihn Rückenprobleme, die die körperliche Leistung etwas beeinträchtigten. Zudem steckte ihm noch das Trainingslager mit der Nationalmannschaft in Vorbereitung auf die U22-Europameisterschaften in City of Targu Jiu (Rumänien; 24. März bis 2. April) in den Knochen. Der 18-jährige Nordhäuser wurde nicht nominiert. „Mit Paul Wall gibt es noch einen besseren Boxer, er steht vor mir“, erklärte der am Olympiastützpunkt in Franfurt/Oder trainierende Athlet. Sein Heimauftritt wurde ihm noch zusätzlich versüßt. Von der Oma gab es eine mittelgroße Dose mit Frischgebackenem. „Bienenstich ist einer meiner Lieblingskuchen. Halten wird er nicht lange, vielleicht zwei Tage, wenn ich ihn mit meinen WG-Kollegen teile.“

Nach seinem erfolgreichen Auftritt hieß es Daumendrücken. Zunächst für den zweiten Thüringer im Ring. Ramazan Gabibullaev traf im Mittelgewicht auf den Chemnitzer Stepan Nikitin. „Ramazan hat zu viele einfache Treffer kassiert“, begründete Dietrich-Scherfling seine Niederlage. Chemnitz verkürzte zum 10:11. Im Halbschwergewicht gab es eine Neuauflage des Duells vom Hinkampf: Sebastian Günther (NSV) gegen Artjom Kasparian (Chemnitz). Für Günther war es die ungewohnte Gewichtsklasse. Eigentlich ist der 27-Jährige im Mittelgewicht zu Hause. Für die höhere Gewichtsklasse fehlt es ihm noch an der nötigen Substanz. Über die Waage ging er mit 75,4 Kilogramm. „Damit ist er drin im Halbschwergewicht“, betonte Dietrich-Scherfling.

Der Wiegepunkt war gesichert. Der Erfurter wollte mehr. Mit starrem, fokussierten Blick ging er seine Aufgabe an. Er präsentierte sich hellwach, obwohl er bereits seit 4 Uhr auf den Beinen stand. Er arbeitet nebenher in einer Bäckerei. Nach Dienstende nutzte er die Fahrt nach Nordhausen für eine Stunde Mittagsschlaf. Trotz seines erneut engagierten Auftritts sollte es abermals zu einem Einzelsieg nicht reichen. Chemnitz glich zum 11:11 aus.

Es lag nun an den schweren Jungs – Peter Mullenberg und Nelvie Tiafack – für eine Entscheidung zu sorgen. Die nächste Überraschung: Halbschwergewichtler Mullenberg rückte ins Schwergewicht vor. Und auch der zweite Schachzug des NSV-Cheftrainers brachte Erfolg. Mullenberg hatte seinen Gegner fest im Griff, so dass der Ringrichter den Kampf in der dritten Runde vorzeitig abbrach. Der NSV führte mit 12:11.

Unentschieden oder Sieg? „Wenn ich in den Ring steige, egal ob wir schon gewonnen haben oder nicht, ich will immer gewinnen“, sagte Tiafack, der die erste Runde klar dominierte. Mit seinen Spurts zum Ende der zweiten und dritten Runde brachte der Superschwergewichtler die Ballspielhalle zum Kochen. Als das Urteil verkündet wurde, der Ringrichter seinen Arm in die Höhe riss, sackte der Kölner auf die Knie. „In dem Moment spürst du nur noch Erleichterung.“ Tiafack machte alles klar: den Mannschaftssieg und den vorzeitigen Einzug ins DM-Finale.

Dort wird der NSV auf den BSK Hannover-Seelze treffen. Das Team von Arthur Mattheis führt ungeschlagen die Tabelle in der Nordstaffel an und löste ebenso vorzeitig das Finalticket. Die Playoffs werden am 21. und 28. April ausgetragen.

Text: Sandra Arm

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