Amateurboxen in Hamburg: Frauenbeauftragte ausgeschlossen

Grafiken: © Johannes Passehl

Das Verfahren wegen Missbrauchsvorwürfen gegen einen Hamburger Amateurboxsportfunktionär sind eingestellt worden. Trotzdem nehmen die damit in Zusammenhang stehenden Umstände immer krassere und skurilere Formen an. Es scheint aufgrund der absolut unklaren Beweislage auch nach Abschluss der Ermittlungen schon eine Art „Glaubensfrage“ zu sein, wer zu wem hält und was Wahrheit oder Unwahrheit ist. Hintergrund: Im Jahr 2011 und der Folgezeit soll eine damals 17-jährige Amateurboxerin von ihrem Trainer mehrfach sexuell missbraucht worden sein. Die Vorgänge sollen sich bei Turnieren und Lehrgängen im Ausland ereignet haben. Die Hamburgerin trainierte am Bundesstützpunkt Schwerin und wollte auf die olympischen Spiele 2016 hinarbeiten. Daraus wurde Nichts.

Der Trainer ist mittlerweile nach Hamburg gewechselt und nimmt beim Hamburger Amateurboxverband einen Funktionärsposten ein. Genau diesen Job hatte zuvor ein naher Verwandter der jungen Boxerin inne. Er wurde, salopp gesagt aus Gründen, die jetzt hier keine Rolle spielen, „abgesägt“. Im Dezember 2016 brachte die Boxerin die Vorfälle aus dem Jahr 2011 zur Anzeige und die Staatsanwaltschaft Schwerin nahm ihre Ermittlungen auf. Laut eins Artikels auf „Spiegel online“ nennt der Beschuldigte das Ganze „Humbug“. Sein Anwalt bezeichnete die Anzeige als „Teil einer äußerst schmutzigen Kampagne.“ Das „Hamburger Abendblatt“ berichtete über den Vorfall.

Im Sommer diesen Jahres rückte die Amateur-WM in Hamburg immer näher. Laut Spiegel wurden aus diesem Grund die Vorwürfe gegen den Funktionär bagatellisiert und unter den Tisch gefegt. Man wollte angeblich einen Skandal vermeiden. Ob das wirklich so war oder ob man einfach nur den Ausgang der Ermittlungen abwarten wollte, sei mal dahingestellt.

Kurz vor der WM gab es ein Schreiben von einem Vorstandsmitglied des Hamburger Boxverbandes an diverse Boxsport-Internetseiten, in dem dazu aufgerufen wurde, die Angelegenheit breitenwirksam publik zu machen. Unter Anderem hieß es in dem Schreiben: „Eine unserer angesehensten Kämpferinnen ist mutmaßlich jahrelang schwer sexuell mißbraucht worden. Auf der Boxweltmeisterschaft die zur Zeit in Hamburg stattfindet ist ein angstfreier und ungehemmter Zugang für Sie, durch die Anwesenheit des mutmaßlichen Täters dort nicht möglich.“ Offenbar sollte erreicht werden, dass der Beschuldigte der Amateur-WM fern bleibt. Die betreffende Person war nur als privater Zuschauer bei der WM zugegen. Das konnte niemand verbieten.

Da es sich dabei um ein schwebendes Ermittlungsverfahren handelte, war es aus Gründen der gebotenen Neutralität kaum möglich, darüber zu berichten ohne für eine der streitenden Seiten Partei zu ergreifen. Wenige Tage vor der WM war es auch nicht mehr möglich, die Seite des Beschuldigten zu befragen. Am. 9. September, also wenige Tage nach der WM war im „Hamburger Abendblatt“ zu lesen, dass die Staatsanwaltschaft Schwerin ihre Ermittlungen in dieser Angelegenheit eingestellt hat. Der beschuldigte Sportdirektor das Verbandes konnte seine Arbeit wieder aufnehmen.

Man könnte meinen, jetzt würde Ruhe einkehren. Womöglich stand Aussage gegen Aussage und mangels Zeugen oder Beweisen führten die staatsanwaltlichen Ermittlungen ins Leere. Das ist natürlich für keine der beiden Parteien eine befriedigende Lösung. Einerseits steht die Anzeigenstellerin womöglich als Lügnerin da. Andererseits bleibt auch von jedem unbewiesenen Verdacht etwas an dem Beschuldigten kleben.

Man könnte jetzt annehmen, die Angelegenheit ist damit trotz des unbefriedigenden Ausgangs erst einmal vom Tisch und würde auf sich beruhen. Aber dem ist nicht so. Boxexperte Uwe Betker zitiert aktuell auf seinem Blog ein Statement des Hamburger „Boxclub Epeios“, in dem berichtet wird, dass die ehemalige Frauenbeauftragte und Justiziarin des Hamburger Boxverbandes zurück getreten ist, in der Folge von dessen neuen Vorstand ausgeschlossen wurde und darüber hinaus Hausverbot erteilt bekommen habe. Als Grund dafür gibt sie an, dass sie ihre Aufgabe als Frauenbeauftragte wahrgenommen und eine junge Boxerin bei der Anzeige wegen sexueller Übergriffe unterstützt habe. Sie sei außerdem bedroht worden. Geht der „Kampf“ weiter oder kann am irgendwann mal davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit den Schlußgong geläutet hat und alle Beteiligten jetzt irgendwie klar kommen müssen?

Geht der Schlagabtausch jetzt in die nächste Runde? Diese Episode schein nur ein kleiner Teil von dem zu sein,was da im Verborgenen brodelt. Beobachter der Hamburger Boxsportszene halten die gegenwärtigen Vorgänge im Amateurboxverband für ein „Haifischbecken“, an das man sich besser nicht zu nahe heran wagt.

Der Boxsport hängt momentan nicht nur in Hamburg in den Seilen. Selbst der Weltverband der Boxamateure steht vor riesigen Problemen. Erst kürzlich wurde der Verbandspräsident Ching-Kuo Wu suspendiert. Grund dafür sind finstere Finanzgeschäfte und riesige Millionenlöcher in der Verbandskasse. Leider macht das Ganze den Ruf des Boxsports nicht gerade besser.

Jahrelang wurde über Missstände und mögliche Korruption im Profiboxen hergezogen. Das Amateurboxen scheint nicht besser zu sein. Insgesamt ist es durch solche Vorkommnisse bestimmt kaum förderlich, wenn man nach Sponsoren oder solventen TV-Partner für den Boxsport sucht. Vielleicht sollten alle verantwortlichen „Amt- und Würdenträger“ mal überlegen, was sie in Zukunft besser machen können, wenn es im Boxsport wieder vorwärts gehen soll. Das Kleben an Posten und Personen, Klüngelei und Vetternwirtschaft waren noch nie besonders förderlich.

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