Southpaw schlägt Rocky nach Punkten
Wenn heute jemand einen Boxerfilm dreht, dann muss er sich wohl oder übel auch einen Vergleich mit den großen Drei gefallen lassen. An Position eins und zwei stehen Million Dollar Baby und Raging Bull (Wie ein wilder Stier). Dann gibt es eine große Lücke. Dann kommt Rocky 1. An diesen drei Filmen muss man den 123 Minuten langen Film von Antoine Fuqua messen.
Der Inhalt ist schnell erzählt. Billy „The Great“ Hope (Jake Gyllenhaal) verteidigt seinen Weltmeistertitel im Halbschwergewicht erfolgreich im Madison Square Garden in New York. Dabei muss er viele schwere Treffer nehmen und kann erst am Schluss, stark blutend, durch KO gewinnen. Billys Frau (Rachel McAdams) bittet ihn, um seine Gesundheit zu schonen, eine längere Pause zu machen.
Bei einem Charity-Dinner, bei dem der jähzornige Hope sich von einem Nachwuchsboxer Miguel Escobar (Miguel Gomez) zu einem Handgemenge provozieren lässt, wird seine, also Hopes Frau erschossen. Es folgt ein rasanter Niedergang. Er verliert seinen Titel, er nimmt Drogen, seine Tochter wird ihm vom Jugendamt weggenommen und er ist von jetzt auf gleich seinen kompletten Besitz (!), Riesenvilla, Sportwagen und Limousinen, los.
„Um wieder auf die Beine zu kommen, sucht er sich ein neues, schlichtes Apartment und bittet den Amateur-Boxtrainer Tick Wills (Forest Whitaker) um Arbeit.“ Er nimmt bei ihm einen Putzjob an und beginnt auch, bei ihm zu trainieren. Sein neuer Trainer arbeitet mit ihm nicht nur an seiner Impulsivität, sondern auch an seiner nicht vorhandenen Deckung und übt mit ihm einen plötzlichen Auslagewechsel (Southpaw) ein. Am Ende hat er seine Tochter wieder und boxt und besiegt Miguel Escobar, der mittlerweile Weltmeister geworden ist.
Die Stärke des Films sind ganz ohne Frage die Boxpassagen. So beginnt der Film z.B. damit, während noch der Vorspann läuft, dass die Hände von Jake Gyllenhaal professionell bandagiert werden. Die Kampfszenen sind wirklich sehenswert. Hier sieht man, dass der Regisseur Antoine Fuqua etwas vom Boxen versteht. Er hat selber geboxt und er stand schon selber im Ring. Unterstützt wurde er von Terry Claybon, dem dreimaligen Golden-Glove Gewinner, ehemaligen Profiboxer im Leichtgewicht (5 Kämpfe, 5 Siege) und Boxtrainer, der den Kampf choreographiert hat. Aber machen wir uns nichts vor, wir sprechen hier von Boxen á la Rocky. Wie in Hollywood üblich boxt der Held ohne Deckung. Er lässt sich dann auch ein paar Mal ein paar Volltreffer an den Kopf gegen, um dann mit mehr Wut zurück zu kommen.
Southpaw ist ein sehr amerikanischer Film. Die Fallhöhe bzw. die Aufschlagtiefe des Helden wird extremst vergrößert. Eine Tragödie jagt die nächste: Frau erschossen, Kind weg, restlos alles Geld ist weg und zum Schluss wird noch ein Junge erschossen, um den Hope sich gekümmert hatte. Ist der Protagonist erst am Boden, steigt er dann aber auch wie Phönix aus der Asche wieder auf. Hope lernt innerhalb kürzester Zeit einen anderen Boxstil und er gewinnt seinen letzten Kampf, obwohl er sehr viel weniger Vorbereitungszeit hat. Vollkommen kitschig wird es, wenn die hübsche Sozialarbeiterin, sie sich um Hopes Tochter im Kinderheim gekümmert hat, am Ende mit seiner Tochter in der Kabine mitfiebert.
Das Drehbuch hat einige Löcher. Was wird aus der Sozialarbeiterin? Was wird aus dem Mörder von Hopes Frau? Was ist die Geschichte des lebensklugen, aber offenbar alkoholkranken Trainers Tick Wills? Wieso bereitet er ihn dann doch auf den WM Kampf vor, obwohl er erst gar nicht will?
Bei aller Kritik an dieser Stelle, Southpaw ist ein bildgewaltiger Film. Er ist trotz seiner Schwächen besser als Rocky 1 und damit sehenswert und für einen Box-Aficionado, der ins Kino geht, ein Muss.
Text: Uwe Betker/www.box-blog.de